Geboren am 07.06.1999 und am 18.07.1999; Schülerinnen
Die meisten Schüler sind nach der Weihnachtsfeier so schnell wie möglich gegangen. Gegen ein Uhr Mittag ist das Foyer des Gymnasiums leer, wie sonst nur während des Unterrichts. Die gelben Treppengeländer fallen vor dem grauen Sichtbeton der Wände noch mehr auf als sonst. Ab und zu begegnen sich einzelne Lehrer und Schüler, Satzfetzen wie „grandiose Weihnachtsfeier“, „jetzt aber weg“, „mach et joot“ dringen zu uns herüber, dann entfernen sich Schritte, leise quietschend auf dem dunklem Noppenboden. Hier am Gymnasium am Oelberg haben wir Abitur gemacht – zu Füßen des höchsten Gipfels des Siebengebirges, immerhin 460 Meter. Unsere leicht sentimentale Stimmung wird jäh unterbrochen von Maike Wilken und Friederike „Fritzi“ Hellmich. Sie quatschen schnell und fröhlich drauflos, wie es sich für Rheinländerinnen gehört. Beide sind 14 Jahre alt, haben lange Haare, tragen Röhrenjeans und Pullis mit Reißverschlüssen. Sie kennen sich seit der ersten Klasse, wohnen in einem Ort und spielen zusammen Tennis. Während sie uns ihren Klassenraum und später ihre Elternhäuser und ihre Tennishalle zeigen, überbieten sie sich mit Anekdoten und können dabei herrlich direkt über die jeweils andere reden. Besonders gern zählen sie ihre Gegensätze auf. Fritzi schminke sich, Maike sei nicht so ein typisches Mädchen, Fritzi mache ständig Sport, Maike esse die ganze Zeit, Fritzi sei manchmal zickig, Maike eher stur. Vor allem aber können sie nächtelang durchreden, haben meistens gute Laune und denken oft dasselbe.
„Mit einem Smiley-Tanz hat es angefangen”,
sagt Fritzi, „dabei haben Maike und ich uns kennengelernt. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern. Das war bei der Einschulung und ich war etwas allein, weil kein anderes Kind aus meinem Kindergarten auf diese Grundschule kam. Uns wurden Symbole zugeteilt, je nachdem, in welche Klasse man kam. Ich hatte einen Smiley, genau wie Maike. Meine Eltern sind irgendwie aufmerksam auf sie geworden, weil sie so riesig viele Haare hatte, so einen Flechtzopf. Naja, und dann kam dieser Smiley-Tanz mit der Klassenlehrerin. Und in der ersten Klasse fragt man sich dann halt so: Wollen wir Freunde sein?“
Maike: „Das war echt lustig. Danach haben wir uns immer besser verstanden. Irgendwann haben wir uns jeden Nachmittag angerufen und gefragt, ob wir uns treffen sollen. Vier Jahre später sind wir zusammen aufs Gymnasium gekommen. Meine Mutter wollte erst, dass ich auf die Mädchenschule nach Bonn gehe. Aber das wäre gar nicht gegangen. Ich komm nämlich richtig gut mit Jungs klar und wir haben voll viel mit den Jungs aus unserer Klasse zu tun.“
Fritzi: „Meine Mutter wollte mich auch erst auf eine andere Schule schicken, hat mir dann aber ziemlich freie Wahl gelassen. Maike und ich waren uns von Anfang an einig über die weiterführende Schule.“
Maike: „Aber wir haben nicht alle Fächer zusammen. Fritzi hat Spanisch gewählt und ich hab bilingual gewählt, das heißt, ich habe Geschichte und Politik auf Englisch. Englisch mag ich total gern, das kann ich fast fließend sprechen. Ich weiß gar nicht, warum. Das ist komisch, bei Vokabeln muss ich das Wort nur einmal lesen, dann weiß ich es. Meine Mama kann auch richtig gut Englisch, doch mein Vater schafft es zum Beispiel gerade mal, nach der nächsten Bushaltestelle zu fragen.“
Fritzi: „Mein Vater hat vor meiner Geburt öfter mal in England gearbeitet, der spricht fließend Englisch. Ich spreche auch gern fremde Sprachen, deswegen hab ich mich für Spanisch entschieden, als wir wählen konnten.“
Maike: „Wir haben einen Spanier in unserer Klasse. Das war ziemlich lustig, weil der in der Spanisch-Arbeit eine zwei geschrieben hat neulich, keine eins, wie man ja erwartet hätte.“
Fritzi: „Außerdem haben wir ein paar Mitschüler, deren Eltern aus Polen kommen. Aber die sprechen fließend Deutsch, ich weiß gar nicht genau, wer überhaupt dazu gehört.“
Maike: „Meinem Freund Sinan sieht man auch nicht an, dass er Türke ist. Er hat blonde Haare und blaue Augen. Wir sind am ersten Weihnachtstag zusammengekommen. Er ist ziemlich verrückt, anders als die anderen, und kommt hier aus dem Ort. Sein Papa und meine Mama waren früher in einer Klasse.“
Fritzi: „Im Herbst hab ich einen Schüleraustausch nach Cognac gemacht. Das war richtig cool – und tierisch anstrengend. Ich musste immer um fünf aufstehen. Die Franzosen essen morgens nicht richtig, auch mittags nicht, eigentlich den ganzen Tag über nicht.“
Maike: „Ich mag Französisch gar nicht. Als dieser Austausch kam, hab ich zu Fritzi gesagt: Ne, da muss ich ja zehn Tage lang nur Französisch sprechen, keine Lust!“
Fritzi: „Meine Gastfamilie hat immer erst gegen 22 Uhr angefangen Abendbrot zu essen. Und da wurde erzählt und erzählt und erzählt. Es gab eine Tochter in meinem Alter, und noch zwei ältere Geschwister. Die waren alle ziemlich nett. Jeder hat über den anderen drüber geredet, ich hatte fast keine Chance, irgendwas zu verstehen. Dann sollte ich erzählen, wie mein Tag war, und da wurden immer alle still und haben mir zugehört. Die Schule war anders als bei uns. Lehrer stehen da viel höher. Wenn da ein Lehrer was erzählt, ist es wirklich komplett leise. Die setzen sich irgendwie besser durch.“
Maike: „Fritzi und ich sehen uns nicht mehr ganz so oft wie in der Grundschule. Aber wenn es im Sportunterricht Partnerarbeit heißt, könnte ich mit niemand anderem zusammenarbeiten als mit Fritzi. Oder wenn’s ums Lernen geht: Wenn wir beide zusammen lernen, ist der Vokabeltest danach ne Eins.“
Fritzi: „Allerdings lernen wir vielleicht fünf Minuten pro Stunde. Die anderen 55 Minuten quatschen wir. Es dauert dann Stunden, bis wir die Vokabeln können.“
„Ich hasse Reihenhäuser”,
sagt Fritzi, „ich mag das irgendwie nicht, wenn alle Häuser da so gleich rumstehen. Wir sind nach Thomasberg gezogen, als ich zwei Jahre alt war – und bis vor kurzem haben wir in einem Reihenhaus gewohnt. Jetzt zum Glück nicht mehr.“
Maike: „Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus. Neben uns wohnt mein Opa und unter uns mein Onkel. Ich hab schon immer in diesem Haus gewohnt, meine Mama auch. Meine Familie hat fast alle Freunde hier. Ich kenne quasi komplett Thomasberg.“
Fritzi: „Stimmt, wenn wir zusammen durch den Ort laufen, grüßt Maike fast jeden. Meine Familie ist zugezogen. Mein Vater arbeitet in Bonn bei T-Mobile. Aber was er da genau macht, weiß ich nicht – es hat irgendwas mit Mathe zu tun. Meine Mutter ist zuhause. Ich habe einen Bruder, der ist dieses Jahr auf unsere Schule in die fünfte Klasse gekommen.“
Maike: „Mein Papa arbeitet bei IQWiG. Das heißt Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Ist halt auch sowas wie bei Fritzis Vater, nur hat es weniger mit Mathe zu tun, mehr mit Computerzeugs. Meine Mama arbeitet auch nicht. Ich bin Einzelkind, das ist lustig, weil ich der Mittelpunkt in unserer Familie bin.“
Fritzi: „Maike und ich spielen zusammen Tennis, unsere Halle liegt total schön am Waldrand.“
Maike: „Ich liebe Tennis, aber eigentlich ist es nicht so mein Sport. Einmal bin ich gebremst und hatte einen Muskelfaserriss. Dann hatte ich vom normalen Spielen einen Tennisarm. Und zu guter Letzt bin ich noch gegen den Zaun gelaufen und hab mir den Arm gebrochen.“
Fritzi: „Das war lustig. Da haben wir gerade Doppel gespielt bei einem Turnier. Hinterher tat Maike mir natürlich leid. Ich hab ihr beim Tennis auch schon mal einen Ball in den Rücken geschlagen aus Versehen. Aber eigentlich bin ich diejenige, die mehr Angst haben müsste, Maike regt sich nämlich des Öfteren auf, wenn wir am Verlieren sind.“
Maike: „Fritzi kommt mir dann immer so mit: Bleib ruhig, ist doch alles cool.“
Fritzi: „Der Hauptgrund, warum wir verlieren, ist halt, dass wir uns viel zu sehr aufregen.“
Maike: „Durch meine ganzen Verletzungen war ich schon öfter im Krankenhaus. Ich finde es echt interessant, wie alles am Körper funktioniert. Deswegen möchte ich Ärztin werden.“
Fritzi: „Wir wollen später zusammen in Münster studieren und eine WG gründen, weil mein Opa da eine Wohnung hat. Ich weiß noch nicht genau, was ich werden will, vielleicht studiere ich Jura.“
Maike: „Die Wohnung von Fritzis Opa ist voll zentral. Eigentlich haben wir das alles schon durchgeplant.“
Fritzi: „Aber wir müssen uns wahrscheinlich noch einen Alternativplan überlegen, denn zum Studieren braucht man ja ein super Abi, mit Schnitt 1,3 oder so. Wir sind beide recht gut in der Schule, aber ganz so gut nicht.“
Maike: „In der zehnten Klasse würde ich gern erst mal für ein Jahr nach England oder so.“
Fritzi: „Ich will auch weg, aber lieber nur drei Monate. Ich würde am liebsten nach Amerika.“
Maike: „Das ist so weit.“
Fritzi: „Ich war mal mit meinem Vater in London. Noch weiter weg als Europa fände ich irgendwie spannender, das ist dann komplett anders. In Europa war ich schon viel mit meinen Eltern unterwegs – wir fahren öfter in die Toscana, in Norwegen war ich auch schon.“
Maike: „Meine Mutter ist auch voll der Fan von Sommerurlaub in Italien. Und in Österreich war ich ein paarmal zum Skifahren. Und auf Mallorca.“
Fritzi: „Am liebsten will ich später überall mal hin. Nach Australien und nach Amerika – eine Rundreise machen.“
Maike: „Und ich möchte nach Hollywood, den Schriftzug sehen.“